Das innere Kind kennenlernen
Man spricht vom Kind,
sollte aber das Kind im Erwachsenen meinen.
Im Erwachsenen steckt nämlich ein Kind,
ein ewiges Kind,
ein immer noch Werdendes,
nie Fertiges,
das beständiger Pflege,
Aufmerksamkeit und Erziehung bedürfte.
Das ist ein Teil der menschlichen Persönlichkeit,
der sich zur Ganzheit entwickeln möchte.
C. G. Jung
Was ist das „innere Kind“?
Das innere Kind lebt in jedem von uns. Es trägt all die Gefühle, Gedanken, Erinnerungen und Erfahrungen unserer Kindheit in sich – die leuchtenden Momente voller Freude, Glück und Unbeschwertheit, aber auch die Traurigkeit, den Schmerz, die Angst, die Wut und das Gefühl, nicht gesehen zu werden.
Schon früh prägt es Sätze wie:
„Ich bin nichts wert.“, “ Ich bin nicht gut genug.“, „Ich muss es allen recht machen.“ oder „Nur wenn ich etwas leiste, werde ich geliebt.“
Diese inneren Stimmen sind wie Schatten, die uns durchs Leben begleiten.
Durch Erziehung, Regeln, Verbote, Erwartungen und die oft harte Realität der Kindheit verlieren wir den Zugang zu dieser zarten, kindlichen Seite in uns. Stück für Stück entsteht eine Mauer – dick, kalt und schwer – zwischen uns und unserem inneren Kind. Wir hören nicht mehr seine leise Stimme, wir spüren seine Sehnsucht nicht mehr. Stattdessen funktionieren wir. Wir strengen uns an, wir leisten – aber wir fühlen uns leer, unglücklich und abgeschnitten vom Leben.
Das verletzte, übersehene, überforderte Kind in uns meldet sich dennoch – manchmal still, manchmal laut. Es färbt unsere Sicht auf andere Menschen, lässt uns schneller verurteilen, Schuld zuweisen und verletzt reagieren. In Wahrheit aber schreit es nur nach Liebe, nach Anerkennung, nach dem einfachen Gefühl: „Du bist gut, genauso wie du bist.“
Das Verhalten vom verletzten inneren Kindes
kann sich auf verschiedene Weise in unserem täglichen Leben zeigen – oft auf eine Art und Weise, die uns selbst nicht immer bewusst ist. Vielleicht spüren wir es in der Sehnsucht nach etwas, das uns vorübergehend Trost oder Ablenkung bietet: sei es in Form von Drogen, Alkohol, exzessiver Sexualität, der ständigen Nutzung von Handys oder digitalen Medien, oder dem Griff zu Medikamenten. Diese Verhaltensweisen sind oft ein leiser Ruf unseres inneren Kindes, das versucht, den Schmerz der inneren Leere und Einsamkeit zu lindern. Sie sind Versuche, die tiefen, unerfüllten Wünsche und Ängste zu betäuben, die in uns schlummern – Gefühle die oft aus der Kindheit stammen und bist heute in uns wirken. Hinter diesen Mustern verbirgt sich der Wunsch nach Zuwendung und nach dem Gefühl, sich wieder ganz und vollständig zu fühlen.
Der achtsame Weg zum inneren Kind
Alles, was unser inneres Kind sich wünscht, ist Liebe, Geborgenheit und unsere volle Aufmerksamkeit. Der Weg in ein glückliches Leben öffnet sich, wenn wir es in den Arm nehmen – durch Kuscheln, liebevolle Worte, zarte Berührungen oder einfach durch stilles Dasein. Wenn wir ihm zuhören, es trösten, ihm Ruhe schenken, es wiegen wie ein kleines Wunder, dann beginnt es zu wachsen und zu vertrauen.
Auch Meditation, Fantasiereisen, Momente der Achtsamkeit und sanfte, liebevolle Gesten lassen unser inneres Kind spüren: Ich bin willkommen, ich bin sicher, ich bin geliebt.
Schon wenige Minuten am Morgen und am Abend – fünf Minuten bewusste Nähe, Zuwendung oder Zeit zum Kuscheln reichen aus, um diese Verbindung zu nähren. Denn jeder kleine Schritt auf unser inneres Kind zu, ist ein Schritt in Richtung wahres Glück. Es ist ein Schritt hin zur Liebe, zu unserem Herzen und zu einem inneren Frieden, der uns trägt.
Stärkung deines inneren Kindes
Nimm ein Symbol für deines inneren Kindes behutsam in deine Hände – vielleicht ein Plüschtier, eine Puppe oder einen kleinen
Gegenstand, der Wärme in dir weckt. Spüre die zarte Energie, die sich dadurch öffnet.
Frage liebevoll nach dem Namen deines inneren Kindes. Sei dabei ganz offen, neugierig und voller Hingabe – so, als würdest du einem besonderen Wesen begegnen, das schon immer in dir wohnt.
Erinnere dich nun an eine deiner schönen Eigenschaften. Vielleicht ist es dein Mut, deine Ehrlichkeit oder dein Vertrauen in das Leben. Flüstere diese Eigenschaften sanft deinem inneren Kind zu:
„Du bist mutig.“, „Du bist ehrlich.“ oder „Du darfst Vertrauen.“
Lass deine Aufmerksamkeit zwischen dir und deinem inneren Kind hin und her fließen – wie ein leiser Atemzug, der euch beide verbindet. Spüre, wie die Verbindung stärker, klarer und tiefer wird. Stell dir vor, wie eine goldene Brücke zwischen euch entsteht – strahlend, warm und unerschütterlich.
Bleib einen Moment in dieser Nähe. Genieße diese heilige Zeit, in der ihr beide ganz miteinander seid. Dein inneres Kind ist geborgen. Und du bist nicht allein.
Das glückliche innere Kind
Wenn unser inneres Kind zufrieden und geborgen ist, öffnet sich in uns eine Quelle von Leichtigkeit und Frieden.
Jeder Tag fühlt sich wärmer und liebevoll an.
Plötzlich ist unser Leben erfüllt von Schwung und Freude, von Vertrauen, Hoffnung und einem tiefen Gefühl von Zufriedenheit. Wir spüren die Kraft in uns, wir folgen unserer Intuition – und das Leben beginnt zu fließen.
Unser inneres Kind ist in seinem Ursprung rein und klar: ein kleines Wesen voller Neugier, verspielt, offen, zärtlich und strahlend vor Glück. Es erinnert uns daran, dass wir geboren wurden, um das Leben mit Freude zu umarmen.
Fragen an das innere Kind
Darf ich dich ganz sanft in meine Arm schließen?
Wie fühlst du dich gerade, mein liebes Kind?
Spürst du Freude in dir – oder gibt es etwas, das dich traurig macht?
Was wünschst du dir von Herzen?
Was braucht du in diesem Moment, um dich geborgen und sicher zu fühlen?
Möchtest du mit mir spielen, lachen und träumen?
Bist du bereit, mir dein Herz zu öffnen und mit mir zu sprechen?
Welche Bedürfnisse trägst du in dir, die ich dir jetzt erfüllen darf?
Mein Weg zu meinem glücklichen inneren Kind
Früher fühlte ich mich wie eine graue Maus – klein und ungeliebt.
Einsamkeit war mein ständiger Begleiter – und ich zog mich oft in meine stille Welt zurück.
Mein Weg zu meinem achtsamen und glücklichen inneren Kind begann wie ein leises flüstern in mir – durch Seminare, tägliche Übungen und Meditationen öffnete ich langsam mein Herz.
Beim allerersten Treffen saß mein inneres Kind winzig und traurig in einer Ecke, die Augen voller Sehnsucht. Ich setzte mich zu ihm, sprach leise mit ihm und Stück für Stück wuchs zwischen uns Vertrauen. Ich nahm es behutsam in meine Arme und spürte seine Verletzlichkeit – und gleichzeitig sein leises, verborgenes Strahlen.
Ich lernte, all seine Gefühle willkommen zu heißen – die Trauer, die Unzufriedenheit, die Wut, aber auch das Glück, die Geborgenheit und die Freude. Jeden Morgen und Abend nehme ich mein inneres Kind (kleines Bärchen) fest in den Arm, fühle seine ganze Welt, nehme sie dankbar an, so wie sie ist.
Indem ich meinem inneren Kind diese Zeit schenke, wächst in mir eine tiefe Wärme, Leichtigkeit und Liebe. Mein Leben ist heute erfüllt von Zufriedenheit, Freude und Mitgefühl – ich bin angekommen bei mir selbst.